Verfasst von: Barbara & Didier | April 5, 2011

Welcome to Iran

Esfahan, 05.04.2011, 6950 km

Salam Alaykom
Wow, wir sind im Iran. Am Strassenrand grasen Kamele. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, mit dem eigenen Auto in so eine fremde Welt einzutauchen. Aber fangen wir vorne an, denn schon vor dem Grenzübertritt passierten tolle Dinge. Unseren vermeintlich letzten Abend auf dem Lalezar Camping in Dogubayazit verbrachten wir im Kabäuschen von den Besitzern Bertil und Mecit, leerten unseren Flachmann mit Lagavulin und ihren Ballantines, lauschten den Klängen der Balalan und dem Gesang von Mecit und diskutierten über Allah und die Welt. Bertil fungierte als Übersetzer zwischen uns und Mecit wenns mit seinem Englisch mal happerte. So erfuhren wir einerseits die Ansichten des Kurden, andererseits jenes des Holländers, der bereits seit Jahrzehnten dort lebt, was unheimlich spannend war. Schliesslich wurde Barbara eingeladen, am nächsten Morgen mit Mecits Frau den Hamam zu besuchen. Was für uns Grund genug war, den Grenzübertritt um einen Tag zu verschieben. Wir haben ja Zeit… Wellness à la Türkei war dann tatsächlich ein Once-in-a-lifetime-Erlebnis. Für umgerechnet 12 Franken Eintrittsgeld kriegte ich ein Handschuhpeeling, eine Massage, Cay und ein unvergessliches Erlebnis. Abduschen tut frau sich mit Litermassen aus Plastik, als Bekleidung reicht eine Unterhose und allenfalls noch ein BH, der Peelinghandschuh der Masseurin wird ungewaschen für eine Klientin nach der anderen gebraucht und wenn schon mal keine Männer dabei sind, dann liegt auch auf den Boden spucken und rauchen drin. So ein Hamambesuch dauert Stunden, frau plaudert, döst oder wäscht sich, die Jüngeren helfen den Alten, die kleinen Mädchen plantschen in Plastikbecken und die blauen Augen und blonden Haare der Ausländerin werden immer wieder bestaunt.
Unterdessen machte Didier Bekanntschaft mit Cem, ein in Airolo aufgewachsener Türke und Roelene aus Südafrika, welche mit St. Galler-Nummernschildern unterwegs waren; sie im Jeep, er auf dem Motorrad. Sie haben uns darauf hingewiesen, dass man seit Januar ohne Einladungsschreiben kein Mongoleivisum mehr kriegt. Was uns schnurstracks ins nächste Internetkaffee führte um dieses Einladungsschreiben zu organisieren. Nimmt denn das nie ein Ende mit diesen Visageschichten? Abends spendierten uns Mecit und Bertil einen letzten Schluck Whiskey aus den Teegläsern, bevor uns im Iran 15 abstinente Tage erwarteten. Vielen Dank für die Bewirtung, und dass wir Euch so viele Löcher in den Bauch fragen durften!


Abschiedständchen von Mecit auf seiner Balalan.

Der Grenzübertritt am 1. April – und das ist kein Scherz – dauerte schlappe 2 Stunden und war nur halb so wild wie alle Räubergeschichten, die wir im Vorfeld gehört hatten. 10 Euro Direktzahlung an einen Beamten war auch schon alles, die Überprüfung der Fahrzeuge war auch unkompliziert. Wir trafen am Grenzübergang auch wieder Cem, Roelene und ihre zwei weiteren Weggefährten (in einem Jeep) und beschlossen, die Grenzformalitäten und den ersten Tag zusammen durchzustehen. Da im Nordiran häufig türkisch gesprochen wird und Cem die Gegend bereits kennt, übernahm er für uns den Part als Guide. Nachdem Fahrzeugversicherung und Benzin (ab jetzt zum Glück immer nur umgerechnet ca. 70 Rappen pro Liter) organisiert waren, gings los im Konvoi. Wir verbrachten den ganzen Tag zusammen und fanden einen Übernachtungsplatz neben dem Sommerhaus einer Grossfamilie aus Tabris. Natürlich ging es nicht ohne Einladung und so verbrachten wir noch eine schöne Stunde spätabends Türkisch-Südafrikanisch-Schweizerisch-Iranisch mit Cay und sündhaft feinen Datteln. Unsere Reisewege trennten sich am nächsten Tag und so machte sich der Pfusbus alleine auf in Richtung Süden.


Unsere temporäre Reisegruppe.

Es war gerade der letzte Tag von No Ruz, den nichtreligiösen Neujahrsfeierlichkeiten der Iraner. An ein Vorwärtskommen auf der Autobahn war gar nicht zu denken, wir besuchten daher Kardovan, eine zum grossen Teil in den Fels gehauenen Stadt und mischten uns unter die wirklich überall picknickenden Iranern.


In Kardovan sind die Wohnungen in den Fels gehauen. Dazu gibt’s abenteuerliche Balkone und Vorplätze.

Wir übernachteten auf dem Innenhof einer Pikettstation des iranischen Roten Halbmondes, wo Didier beim (männlichen…) Personal herzlich empfangen und Barbara gerade so geduldet war. Danach noch eine Nacht in einem kleinen Bergdorf neben dem Geissenstall. Nach zwei Tagen und vielen Kilometern quer durch den Iran sind wir nun in Eshfahan angekommen. Die Stadt gilt als Perle des Irans und es gibt tatsächlich einiges zu entdecken: Endlose Basare (wo wir wirklich die einzigen Bleichgesichter sind), prächtige Moscheen und schöne Plätze und Parkanlagen. Auch hier haben wir schon wieder mehrmals nette Bekanntschaften gemacht. Besonders Barbara wird sehr häufig von jungen Frauen in Englisch angesprochen, welche an uns interessiert sind und ihr Englisch endlich mal üben wollen. Die Gespräche enden stets mit einer Fotosession und wir fühlen uns wie Hollywoodstars. Wir sind mittlerweile auch schon Halbprofis im freundlich irgendwelche Händler abwimmeln oder höflich Tee-Einladungen abschlagen („Maybe later“ funktioniert recht gut!).


Der zweitgrösste Platz der Welt ist der Imam-Square in Eshfahan.

Viel Spass macht uns der Strassenverkehr. Regeln gibt es nur eine; der Stärkere hat immer Recht. Überholt wird überall, gehupt wird ständig, Fahrstreifen werden konsequent ignoriert. An einer Tankstelle waren wir schon mitten in einer Warteschlange, welche alle paar Minuten Blechschäden, Hupkonzerte und Massenschlägereien produzierte (nach ¾ Sunden ohne Vorwärtskommen leerten wir den Ersatzkanister und fuhren davon!). Nicht zu glauben, wie sich die sonst unglaublich netten Menschen hier verwandeln, wenn sie am Steuer sitzen.

Nun wollen wir östlich in Richtung Wüste starten und Teheran quasi grossräumig umfahren. Bis bald.
Barbara & Didier

Nachtrag für Nachahmer: Entgegen früheren Berichten ist eine Benzinkarte momentan nicht nötig, mit einem Dieselfahrzeug hätten wir aber in der Schweiz gar kein Visum bekommen. Das Kopftuch ist auf den Passfotos fürs Visum nicht nötig. GPS, Computer oder anderes elektronisches Gerät wurde beim Grenzübertritt problemlos geduldet.


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