Verfasst von: Barbara & Didier | Juni 5, 2011

Von Sibirien in die Mongolei

Ulan Bator, 05.06.2011, 18’315km

Sain baitsgaa nuu!

Wir grüssen Euch aus Ulan Bator, der Hauptstadt der Mongolei. Nach 92 Tagen on the road sind wir im Land der Nomaden angekommen, ein Traum geht in Erfüllung!

Doch zuerst zurück nach Ulan Ude, wo wir während drei Tagen wieder einmal eine Art zivilisiertes Leben führten. Nach der ersten Nacht im Garten der Datscha von Alexander machten wir uns ohne Pfusbus auf ins Zentrum, wollten wir doch endlich auch einmal in einer Marschrutka mitfahren. Marschrutkas sind Kleinbusse (häufig Pfusbuskollegen, darum werden wir auch immer verwechselt), die eine feste Route fahren. Fahr- oder Linienpläne gibt es allerdings keine, was das Benutzen von ÖV für Laien wie uns ziemlich tricky macht. Mutig standen wir also am Strassenrand und winkten auf gut Glück eine Marschrutka nach der anderen ab. Bereits das vierte Fahrzeug war ein voller Erfolg und wir landeten auf Anhieb im Zentrum. Dort hiess es erst mal den Sibirienblog aufschalten, ein paar organisatorische Mails für die Weiterreise verschicken und schon stand Nina für eine Sightseeingtour in Ulan Ude bereit. Das Herz der 400‘000 Einwohner Stadt ist angenehm übersichtlich und machte mit all den chic angezogenen Russinnen und Chinesinnen einen kosmopolitischen Eindruck. Nach der Besichtigung vom Steinmuseum, einer Uni, einer Kleintierhandlung und dem Opernhaus investierten wir eine gute Stunde um Dollar und Rubel zu beziehen und die russische SIM-Card aufzuladen. Ersteres brauchte ziemlich Nerven und kostete viel Kommission, letzteres machte man an einem der zahlreichen Automaten die aussehen wie Bankomaten und ist sehr günstig. Das Anstehen machte auf uns einen total chaotischen Eindruck, hatte aber System. Wenn man neu dazukommt, fragt man einfach „Wer ist der letzte?“ und weiss dann, dass man nach dieser Person an der Reihe ist. Schlangenstehen ist also nicht nötig.

Gegen Abend stiess Vova, Ninas Bruder, zu uns und nach dem Probieren von Kvas, laut Reiseführer einem aus Brot gebrautem Getränk, luden wir die beiden ins Kino ein: Pirates of the Caribbean 4 in 3D. Der Film hatte zwar ein paar Längen (was zugegebenermassen an unserem beschränkten Sprachverständnis liegen könnte), aber Johny Depp und Penelope Cruz auf Russisch war alleine das Eintrittsgeld wert. Beim Auswählen der Marschrutka zurück zur Datscha konnten wir auf die Hilfe unserer russischen Freunde zählen: Wie hätten wir erklären wollen, in welche Richtung es gehen muss, war die Haltestelle in der Nähe der Datscha doch namenlos.


Unsere Basis in Ulan Ude: eine typisch russische Datscha (Wochenendhäusschen) mit Kartoffelfeld.


Die ersten vier Worte im Film haben wir alle verstanden, juhuii!

Am nächsten Morgen holten wir Nina und Vova in der Stadt ab und besichtigten gemeinsam das Ethnographiemuseum, ein sibirisches Ballenberg. Nach dem Mittagessen in einem kleinen Beizli hiess es für uns noch Vorräte aufstocken und Kanister mit 98er Benzin füllen, soll es in der Mongolei doch nur noch 76er oder im Glücksfall 90er geben! Nach einem ruhigen Abend bei der Datscha verabschiedeten wir uns am nächsten Morgen schweren Herzens von Nina und machten uns auf in Richtung Süden. Nina beendet in zwei Wochen ihr Studium und beginnt einen Job als Managerin eines kleinen Ressorts an der Ostküste des Baikalsees.


Goodbye Lenin. Die grösste Lenin-Kopfstatue der Welt.

Am 2. Juni stand der grosse Tag auf dem Programm: Einreise in die Mongolei. Der (je nachdem, wen man fragt) einzige Grenzübergang in die Mongolei liegt auf gerader Linie zwischen dem Baikalsee und der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator. Das russische Grenzdorf heisst Kjaxta und ist eine waffenstarrende Garnison. Um 07.45 Uhr reihten wir uns vor dem russischen Grenzposten am Ende einer vierspurigen Schlange von Lastwagen, PW’s und Marschrutkas ein. Obwohl die Grenze um 08.00 öffnen sollte, passierte während eineinhalb Stunden gar nichts. Oder fast nichts; denn plötzlich fuhr ein BMW-Töff mit Freiburger Nummernschilder vor und schlängelte sich ganz nach vorne durch. Als alte Hasen was Grenzübertritte anbelangt reagierten wir sofort und machten uns mit David aus Corminboeuf bekannt. Dann signalisierten wir allen Anwesenden, dass wir zu unserem Freund nach vorne wollten. Auf einen Schlag hatten wir dutzende Fahrzeuge überholt und standen in der Pole Position. Als um 09.30 der Schlagbaum zum ersten Mal öffnete, fuhren David und der Pfusbus als erste zum Grenzbüro! Entgegen allen Befürchtungen war der russische Grenzübergang etwas vom effizientesten, was wir bisher erlebten. Von einer englisch sprechenden freundlichen Zollbeamtin wurden wir in ein Büro geführt, kurz ausgefragt, erhielten die nötigen Stempel und waren in 15 Min auf dem Weg zur mongolischen Seite. Der Pfusbus wurde gefühlte 10 Sekunden durchsucht, acht Sekunden davon fielen auf die Kontrolle der Fahrzeugchassisnummer. Die mongolische Seite funktionierte etwas anders. Zwar waren alle freundlich und alles verlief ohne Probleme, jedoch musste nach jedem Posten (Seuchenkontrolle, Passkontrolle, Zollkontrolle) immer wieder beim höchsten Zollbeamten eine Unterschrift abgeholt werden. Blöderweise traf das für alle anderen auch zu und vor dem kleinen Schalter herrschte ein Riesengedränge. Die Mongolen haben keine Ahnung von Schlange stehen, sind aber unglaublich gute Drängler. So war es Didier’s Aufgabe, jedes Mal mit breitem Rücken das Formular nach vorne zu strecken und den Kopf zusammen mit mehreren anderen Grenzgängern möglichst offensiv in Richtung Fensterchen zu strecken. Die Ironie der Geschichte: Als wir schlussendlich alle Unterschriften beisammen hatten, waren jene Mongolen, welche wir vor dem russischen Schlagbaum überholt hatten, schon über alle Berge.


Juhui, nach 92 Tagen und 17‘500 km ist das Pfusbusteam in der Mongolei!

Die ersten Kilometer in der Mongolei waren von drei interessanten Begegnungen mit anderen Overlandern geprägt. David ist alleine mit dem Motorrad unterwegs und fuhr nach dem Grenzübertritt direkt nach Ulan Bator. Seine Freundin fliegt dorthin und gemeinsam wollen sie drei Wochen durch die Mongolei reisen. Ein bisschen später überholten wir zwei Radfahrer. Es waren Lucie und Chris aus England, sie sind unterwegs nach Peking zur Hochzeit eines Freundes. Aha. Ihr Reiseplan hörte sich sehr sympathisch an: Von England pedalierten sie der Ostseeküste entlang nach St. Petersburg, dann mit der Eisenbahn bis Irkutsk, dann wieder mit dem Drahtesel bis nach Ulan Bator, um dann wiederum per Zug nach Peking zu fahren. Wir hatten so viel zu diskutieren, dass im Nu eine Stunde um war und wir nach dem Austausch von Kontakten und Geschenken schon wieder Abschied nehmen mussten. Zwei Stunden später lagen wir im Gras und machten einen Mittagsschlaf, als Secim und Muberra und gleich darauf auch Cem und Roelene auffuhren. Alle sechs ehemailgen Reisegefährten hatten sich unabhängig voneinander den selben Tag zum Grenzübergang ausgesucht und trafen sich mitten in der mongolische Steppe wieder! Wir unterhielten uns noch lange mit Cem und Roelene, bevor wir wieder unseren eigenen Weg gingen.


Lucie und Chris hätten sofort getauscht!

Wir auch, aber höchsten für ein paar Stunden…

Während all unsere Bekanntschaften einen direkten Weg nach Ulan Bator ansteuerten, zogen wir von der Hauptstrasse weg und fuhren Richtung Amarbayasgalant Khiid, einem der grössten buddhistischen Kloster der Mongolei. Das Kloster liegt 50 km von der nächsten Strasse entfernt in einer wunderschönen Steppen- und Hügellandschaft. Den Hin- und Rückweg über eine Rallyepiste unterbrachen wir jeweils über Nacht und campierten wild in einem kleinen Tal. Mit keiner Menschenseele weit und breit und unter einem fantastischen Sternenhimmel genossen wir das Nomadenleben in unserer „Machine-Ger“ (Autojurte). Das Kloster war den Umweg auf jeden Fall Wert. So früh im Jahr waren keine ausländischen Touristen in der Gegend und ein Mönch führte uns durch die im chinesischen Stil erbaute Anlage. Wir konnten die jungen Mönche beim disziplinierten Beten erleben und trafen den Lama (Vorsteher), welcher auch erst etwa 20 Jahre alt ist. 5 Minuten nach dem Ende der Zeremonie machten sich die Mönche mit dem Lama im FC Barcelona-Shirt voraus auf zum Fussball spielen! Auf dem Shirt stand von Hand und in lateinischen Buchstaben fett Carlos Puyol geschrieben.


Blick auf das Amarbayasgalant Kloster.


Vor den Toren der Tempelanlage.


Auf dem grössten Campingplatz der Welt!

Im Rallyestil ging es zurück auf die geteerte Strasse (Kann uns jemand sagen wieviel Seitenlage so ein Hiace aushält?) und hinein ins Verkehrschaos von Ulan Bator, wo wir uns gewollt mitten ins Zentrum vorkämpften. Dort bezogen wir für zwei Nächte ein gutes Hotel und genossen nach langem wieder einmal eine richtige Dusche, sauberes Klo und Bettzeug, Internet im Zimmer und ein kontinentales Frühstück. Was für ein Luxus!

Die Mongolei war von Anfang an als ein Highlight auf unserer Reise geplant, entsprechend gross war und ist die Vorfreude auf dieses Overlander-Eldorado. Trotzdem fühlte sich der Grenzübertritt vor ein paar Tagen für uns nicht auf Anhieb als etwas Ausserordentliches an. Wir sind so stark mit dem „Tagesgeschäft“ (Übernachtungsplatz suchen, Benzin auftreiben, Lebensmittel kaufen, Routenplanung, Waschen, Putzen, Kochen etc.) beschäftigt, dass wir mitunter das Reisen in diesen exotischen Ländern als etwas normales betrachten.  Zwischendurch müssen wir uns selber daran erinnern, dass wir da gerade etwas sehr verrücktes machen! Die Tagesroutine hat uns aber auch geholfen, Schritt für Schritt in die Reise zu versinken. Wer direkt in den Iran, nach Turkmenistan, Sibirien oder in die Mongolei fliegt, wird den Unterschied zur Heimat viel stärker als Kulturschock wahrnehmen als wir. Meistens machen wir  Schritte, welche uns Tag für Tag kulturell und geografisch weiter von zu Hause weg bringen, ab und zu aber auch wieder zurück (z.B. die Tage mit Nina in Ulan Ude). Doch es bleiben kleine, gut verdaubare Schritte, ein wunderbarer Vorteil wenn man mit dem eigenen Fahrzeug die Welt bereist. Wir können es nur weiterempfehlen!


Liebe Grüsse von den Glückspilzen


Antworten

  1. Es ist wunderschön mit all den schönen Fotos , den intressanten Texten und den Begegnungen ein wenig teilnehmen zu können an eurem unglaublich schönen Erlebnis. Danke das ich es auch lesen und teilen darf. Herzliche Grüsse aus Lyss Ruth

  2. Hoi zäme
    Spannende Reise die ihr da macht.
    In vier Wochen gehts auch bei mir los, vielleicht kreuzen sich ja unsere Wege mal in Südamerika. Also vorsichtig fahren wenn ihr zwei Velofahrern begegnet;-)
    Weiterhin viel Spass, gutes Gelingen, tolle Eindrücke und prägende Begegnungen.

    Luki

  3. Hallo, meine lieben Freunde!
    Ich bin froh, dass Ihre Reise so gut geht. Sie finden neue Freunde-Reisen)))
    Ich bin sehr interessiert zu lesen)))

  4. hola pfusbusser!
    schöne geschichten, macht spass zu lesen – weiter so :-)
    un abrazo aus canoa ecuador, wo wir nun für 2 monate ein hostal führen.
    a&t


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