Verfasst von: Barbara & Didier | Februar 20, 2012

Von San Martin nach Santiago

Santiago de Chile, 20.02.2012, 42‘390 km

Hola chicos!
Wir grüssen Euch aus Santiago de Chile, welches momentan eine Doppelrolle als Hauptstadt und als Backofen spielt. Wettertechnisch waren die letzten Tage und Wochen eine Achterbahn, von 5 – 35° Grad und Regen und Nebel bis zu strahlendem Sonnenschein gab es alles. Von San Martin de los Andes ging es bei schönstem Wetter hoch zum Paso Carriniñe, mit Stopover an der wunderschönen Laguna Verde mit Lavastrand. Die Abfertigung beim argentinischen Zollhäusschen in der Grösse einer Telefonkabine dauerte rekordverdächtige 60 Sekunden, danach investierten wir nochmals 120 Sekunden zum Abklären, ob es wirklich kein Problem ist, bei den chilenischen Zöllnern erst einen Tag später vorbeizugehen. Immerhin lagen fast 100 km Niemandsland vor uns. Je höher es rauf ging, desto weniger glaubten wir der Chica vom Tourismusbüro in San Martin, dass diese Passstrasse auch für PWs problemlos zu bewältigen sei. Wir waren alles andere als unglücklich über die 4×4-Fähigkeiten des Pfusbus. Zwischendurch erhaschten wir aus dem dichten Wald einen Blick auf den perfekt geformten Vulkankegel des Lanin: Sehr, sehr eindrücklich. Kurz nach der Passhöhe erwarteten uns am nächsten Tag drei freundliche, aber leider übermotivierte Zöllner. Nachdem der Papierkrieg erledigt war – ohne Computer wird man auch nicht mit Afghanen verwechselt – wies uns der eine Zöllner an, den ganzen (!) Pfusbusinhalt auf zwei Tischchen auszubreiten. Auf Didiers Bemerkung, das werde aber ganz schön lange dauern, holte er ohne mit der Wimper zu zucken seine Kollegen zur Verstärkung. Einmal leer Schlucken und tief einatmen, dann starteten wir erfolgreich ein Ablenkungsmanöver mit viel Lob über Chile und der einen oder anderen Anekdote aus dem Overlanderleben und bald hatten die drei Señores vor lauter Diskutieren kein Interesse mehr am Durchsuchen, ufffff… In Chile zeigte sich der Vulkan Villarica von seiner schönsten Seite, die Region war aber dermassen mit Touris überfüllt, dass man fast Angst bekam. Wir hatten zum Glück einen Joker im Ärmel. Marcella von der Riverraftingfirma in Futaleufu hatte uns nämlich angeboten, dass wir ein paar Tage auf ihrem Grundstück in Pucon campen dürfen. Dieses Angebot nahmen wir dankend an, leider hat sie vergessen zu erwähnen, dass das an einem Hang gelegene Häusschen nur via eine haarsträubende 4×4-Piste erreichbar ist. Einmal oben war klar, so schnell fahren wir hier nicht wieder runter. Blöd nur, dass in der Kühlbox gähnende Leere herrschte und auch die Wassertanks nur noch halb voll waren. Auf mehreren Streifzügen im Stil von Indiana Jones durch das verwilderte Gebiet suchten wir vergebens nach Wasser, kehrten aber mit zerrissenen Hosen, zerkratzten Beinen und kiloweise Brombeeren und Äpfel zurück zu unserem Basislager. Dank Rationierung des Wassers (über-) lebten wir wunderbar, es lebe das Selbstversorgerleben! Nach drei Tagen liessen wir Chiles Ferienregion Nummer eins mit überfüllten Nationalparks und entsprechenden Nebenerscheinungen hinter uns.


Perfekte Figur: Vulkan Lanin.


Lava als Strand, Asche in der Luft an der Laguna Verde.


Auch der Villarica ist nicht von schlechten Eltern.

Also steuerten wir der Küste entgegen und verbrachten auf der Fahrt in den Norden einige Tage am Meer. Der Pazifik mit seinen schwarzen Stränden, den Klippen und den beeindruckenden (und saukalten) Wellen war der Hammer. Das Inland jedoch ist eine einzige Pinien- und Eukalyptusplantage und zusammen mit den Cellulosefabriken alles andere als eine Augenweide. Krass, wie die Natur hier ausgebeutet wird. Auch die Siedlungen machten nur wenige Kilometer von den Tourismuszentren entfernt einen ziemlich ärmlichen Eindruck, dafür fielen auch die Preise von Lebens- und Genussmitteln deutlich und die Menschen waren freundlich und aufgestellt. Die Gegend ist noch von vielen Mapuche, einem Urvolk, bewohnt und wir Blondinen mit der komischen Autonummer waren wieder einmal richtige Exoten. Zwischendurch wurden wir auf ein Glas Wein eingeladen und stets ergaben sich spannende Gespräche.


Wunderbarer Outdoor-Werkplatz.


Abend am Strand.


Ohne Worte.


Der Pazifik tobt sich aus.


Wenn auch nur drei Sekunden: Wir waren drinn!!


Jaja, hier wird noch mit Ochsen gearbeitet.

Telefonisch erreichten wir Luis und Maria Elena, welche wir auf der Osterinsel kennengelernt hatten, gerade noch knapp vor ihren Ferien und so machten wir uns schleunigst auf in Richtung Santiago. Wir trafen die beiden in einem Aussenquartier der Grossstadt und wurden zuerst zu Maria Elenas Wohnung eskortiert. Während wir drinnen duschten, assen und relaxten verursachte der Pfusbus vor der Siedlung einen Aufruhr. Ein Nachbar glaubte seine Ausfahrt von diesem Ausländer versperrt und alarmierte die Polizei. Als wir ahnungslos aufbrachen, fuhren die Carabineros tatsächlich gerade vor, hatte aber für den Choleriker nur ein Kopfschütteln übrig. Sie erklärten, dass ginge sie also wirklich nichts an und die Ausländer seien ja schon daran, wegzufahren. Auf dem kleinen Vorplatz war es Didier problemlos möglich, den Pfusbus zu wenden und man fragte sich, weshalb der Mann hier mit seinem Kleinauto nicht hätte herausfahren können.  Maria Elena blieb aber eine lange Diskussion mit dem Herrn Nachbarn nicht erspart. Parkiertechnisch ging es sogleich weiter mit Herausforderungen. Wir erreichten das Haus von Luis und seiner Mutter Soledad und machten uns daran, den Pfusbus in der engen Einfahrt zu parkieren. Nach einigen Versuchen gelang dies schlussendlich und wir hatten so unseren Campingplatz für die nächsten paar Tage in Santiago gefunden.


Perfekt eingepasst.


Das Häusschen von Luis und Soledad steht in einem typischen Aussenquartier.

Den nächsten Tag starteten wir mit Sightseeing. Luis, Maria Elena und ihr Kollege Sergio nahmen extra einen Tag frei und zeigten uns die Innenstadt Santiagos in einem perfekten Mix aus touristischen und unbekannten Attraktionen. Wir trotzten der brütenden Hitze mit Pausen unter Palmen und Mote con Huesillo, dem chilenischen Nationalerfrischungsgetränk aus Pfirsich und Weizen. Wie konnte es anders sein, beendeten wir den Tag spät am nächsten Morgen mit einer Parilla.


Palacio de La Moneda. Hier wurde Allende 1973 geputscht.


Über die Millionenstadt…


…wacht die die Jungfrau auf dem Cerro San Cristobal.


Zwei Touristen mit drei Guides: Sergio, Luis, Maria Elena und wir. Muchas gracias, chicos!


Parilla-Jefe Luis.


Der Marktstand von Soledad mit ihrem Papi.

Luis und Maria Elena reisten am nächsten Morgen früh ab in die Ferien, während wir herzlich als Ersatz-Kinder aufgenommen und von Soledad, einer richtigen chilenischen Mammi, kulinarisch verwöhnt wurden. Im Gegenzug kochten wir die eine oder andere Schweizer Spezialität. Während den folgenden Tagen genossen wir die Vorzüge einer Dusche, nutzten ausgiebig die Waschmaschine und unternahmen alleine oder mit Soledad und Sergio immer wieder kleine Ausflüge in die Nachbarschaft. Spannend war es auf der Feria, einem kunterbunten Strassenmarkt, wo Soledad einen Stand betreibt und von Secondhand-Kleidern über Duschbrausen bis zu lebenden Küken und Wassermelonen alles feilgeboten wird. Einladungen zum Essen beim Grossvater und weiteren Bekannten der Familie und die Einweihung in Geheimnisse der chilenischen Küche rundeten unsere Integration ins chilenische Familienleben wunderbar ab. Und die ganze Zeit assen wir Avocados bis uns die Ohren wackelten, miamm!

Liebe Grüsse!
Barbara und Didier

PS: Schaut euch hier den Film von unseren Kletterfreunden aus El Chaltén an. Der Anfänger mit der gelben Jacke ist Didier.


Antworten

  1. Hallo Barbara und Didier,
    viele Grüße aus DHattingen!
    Und wenn ihr ein deutsches Motorradfahrerpäärchen mit Namen Panny und Simon (die Kradvagabunden) in Santiago trefft, grüßt sie auch von mir.
    Suerte!
    Claudio


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